Conrad Ferdinand Meyer

Hohe Station

Hoch an der Windung des Passes bewohn ich ein niedriges Berghaus --
Heut ist vorüber die Post, heut bin ich oben allein.
Lehnend am Fenster belausch ich die Stille des dämmernden Abends,
Rings kein Laut! Nur der Specht hämmert im harzigen Tann.
Leicht aus dem Wald in den Wald hüpft über die Matte das Eichhorn,
Spielend auf offenem Plan; denn es ist Herr im Bezirk.
Jammer! Was hör ich? Ein schrilles Gesurre: »Gemordet ist Garfield!«
»Bismarck zürnt im Gezelt!« -- »Väterlich segnet der Papst!«
Schwirrt in der Luft ein Gerücht? Was gewahr ich? Ein schwärzliches Glöcklein!
Unter dem Fenstergesims bebt der elektrische Draht,
Der, wie die Schläge des Pulses beseelend den Körper der Menschheit,
Durch das entlegenste Tal trägt die Gebärde der Zeit.

(eingesandt von Klemens Wolber: klemens.wolber@t-online.de)


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